Achalasie

Die Achalasie ist eine gutartige aber dauerhafte Erkrankung der Speiseröhre. Der Schwund an bestimmten Nervenzellen, die den komplexen Schluckablauf in der Speiseröhre normalerweise koordinieren, sorgt dafür, dass der untere Speiseröhrenschließmuskel (unterer Ösophagussphinkter) unmittelbar nach dem Abschlucken nicht vollständig erschlafft oder verkrampft. Die geschluckte Nahrung oder Flüssigkeit „bleibt hängen“ oder rutscht nur ganz allmählich durch. Zusätzlich verliert sich die Muskelbewegung in der Speiseröhre oder verkrampft bei einigen Patienten ebenfalls. Die Ursache für den Verlust der Nervenzellen ist bislang nicht geklärt, für den Großteil der Erkrankungen werden sogenannte autoimmune Prozesse angenommen, für die eine genetische Veranlagung eine Rolle spielt.

Die Achalasie ist eine seltenen Erkrankung (Definition: nicht mehr als 5 von 10 000 Menschen in der EU betroffen). Es vergehen im Durchschnitt 5 Jahre bis die richtige Diagnose gestellt wird. Nicht selten wird die Erkrankung als psychosomatisch verkannt.

Männer und Frauen sind gleichhäufig betroffen, das Alter bei Diagnose liegt um die 50 Jahre.

 

Beschwerden und Symptome

  • Schluckbeschwerden bei fester Nahrung und Flüssigkeit -
    Das Essen bleibt hinter dem Brustbein hängen,  es "rutscht" nicht
  • Wiederhochkommen von Nahrung,  zum Beispiel im Liegen/ Nachts
  • Brust- Oberbauchkrämpfe, „ Sodbrennen“
  • Gewichtsverlust
  • Husten, verstärkt im Liegen

Die Beschwerden ähneln manchmal den Beschwerden einer Refluxkrankheit (chronisches Sodbrennen), weshalb manchmal die Fehldiagnose der Refluxkrankheit gestellt und entsprechend mit magensäureblockierenden Medikamenten zunächst behandelt wird. Verschwinden die Beschwerden unter der medikamentösen Behandlung nicht, sind weitere Untersuchungen unbedingt erforderlich!

 

Was wird gemacht?

Die Diagnose wird gestellt durch mehrere Untersuchungen. Die wichtigste Untersuchung ist die Funktionsuntersuchung der Speiseröhre durch eine hochauflösende Druckmessung (HR Manometrie), die das Vorliegen einer Achalasie beweist. Sie kann die Achalasie den verschiedenen Untertypen (Subtyp I, II, III) zuordnen. Neben der Druckmessung sind Endoskopie und ein Röntgen Breischluck notwendig.

Die Erkrankung ist gutartig, aber derzeit noch unheilbar. Das wichtigste Behandlungsziel ist die Verbesserung der Lebensqualität, außerdem soll mit der Behandlung das Fortschreiten der Erkrankung aufgehalten werden. Es gibt verschiedene wirksame Behandlungsformen, die zu einer Beschwerdefreiheit oder Linderung führen.

Endoskopische und chirurgische Behandlungsverfahren sind immer angezeigt, wenn eine Achalasie vorliegt und Beschwerden bestehen. Es gibt ganz wenige Ausnahmen, in den diese Verfahren nicht durchgeführt werden können. Es ist mithilfe von klinischen Studien nachgewiesen, dass diese Verfahren bei dem Großteil der Patienten langfristig wirken können (d. h. über mindestens 5 oder 10 Jahre). Aus Studien wissen wir auch, dass bestimmte Faktoren wie Alter, Geschlecht und Achalasie-Subtyp in der Wahl des jeweiligen Behandlungsverfahrens berücksichtigt werden sollten.

  • Myotomie (Muskeldurchtrennung):
    Hierbei handelt es sich um endoskopische und chirurgische Verfahren.
    Die Durchtrennung des Schließmuskels kann mit einem Endoskop durch den Mund von "innen" durchgeführt werden (sogenannte Perorale Endoskopische Myotomie: POEM). Die allermeisten Patienten profitieren sehr gut von diesem schonenden Verfahren. 
    Die klassische Myotomie erfolgt chirurgisch-operativ (sogenannte Laparoskopische Heller- Myotomie: LHM). Hierbei sind mehrere Schnitte an der Bauchdecke erforderlich. Nach Durchtrennung des Schließmuskels wird er durch eine weitere operative Methode (Bildung einer sogenannten Anti-Refluxmanschette wieder gestärkt. Hierdurch soll ein möglicher Säurereflux abgeschwächt werden. Die allermeisten Patienten profitieren sehr gut von diesem Verfahren.
  •  Ballondilatation (Aufdehnung oder Weitung): 
    Die Ballondilatation erfolgt endoskopisch unter Röntgenkontrolle. Ein Ballon wird über das Endoskop in den Bereich des Schließmuskels vorgeschoben. Anschließend wird er durch Pumpen mit Luft gefüllt.  Auf diese Weise reißt der Schließmuskel oberflächlich ein. Der Behandlungserfolg mit diesem klassischen Verfahren ist gut. Allerdings muss der Eingriff häufig wiederholt werden, um das Behandlungsergebnis beizubehalten. In einem geringen Prozentsatz besteht wegen der unkontrollierten Muskelsprengung das Risiko einer Verletzung (Perforation),  die eine Notfall-Operation nach sich ziehen kann. Junge Patienten, bei denen das Erkrankungsalter weniger als 40 Jahre beträgt sowie männliche Patienten und Patienten mit dem Nachweis einer Achalasie-Subtyp III profitieren von diesem Verfahren weniger.  Sie sollten primär durch eine Myotomie versorgt werden.

Medikamentöse Therapien mit drucksenkenden Tabletten oder der Gabe von Nervengift (Botulinum Toxin A – Botox) im Rahmen einer Speiseröhrenspiegelung sind nicht dauerhaft wirksam und sollten daher nicht eingesetzt werden. Eine Wirksamkeit bei der Achalasie für Botox wurde zwar Mitte der 80´ger Jahre belegt, in den randomisierten Vergleichsstudien mit den herkömmlichen Therapieformen wie Myotomie oder Dilatation schnitt diese Behandlungsart jedoch erheblich schlechter ab. Eine langfristige Symptomkontrolle kann nicht erzielt werden. Lediglich für wenige Patienten, bei denen eine Myotomie oder Dilatation wegen erheblicher Risiken nicht durchgeführt werden können, kommt die Behandlung mit Botox möglicherweise infrage. Drucksenkende Tabletten können in bestimmten Einzelfällen als Zusatztherapie eingesetzt werden.

Perorale endoskopische Myotomie (POEM)

 

besondersBesonders: Das POEM-Verfahren wurde erstmalig von Professor Haru Inoue in Japan im Jahr 2009 für die Behandlung der Achalasie angewandt.  In der westlichen Welt wurde POEM erstmalig im Juni 2010 durch Professor Thomas Rösch in Zusammenarbeit mit Prof. Inoue am UKE durchgeführt. Wir haben unsere ersten 16 Patienten im Rahmen einer sog. Machbarkeitsstudie behandelt.  D. h. wir haben unter Studienbedingungen geprüft, ob die Durchführung der POEM für diese Patienten risikoarm und ohne schwerwiegende Komplikationen ist und ob das Behandlungsziel der Beschwerdefreiheit nach 3 Monaten erreicht wird. Unsere sehr guten Behandlungsergebnisse konnten wir in einer weiteren Arbeit, an der 70 Patienten teilnahmen, gemeinsam mit anderen internationalen Zentren ein Jahr später bestätigen. Durch den langjährigen Kontakt zu unseren Patienten wissen auch, das die meisten Patienten auch mittelfristig von POEM profitieren.  Dennoch beobachten wir in unserer Nachsorge  bei einem geringen Teil der Patienten ein Wiederkehren der Beschwerden nach mehr als zwei Jahre.  Für unsere weitere Arbeit bedeutet das auch,  diese Ergebnisse mit den "klassischen" Methoden zu vergleichen, Faktoren herauszufinden,  mit denen prognostische Voraussagen für POEM möglich sind und außerdem zusätzliche Behandlungstrategien interdisziplinär zu entwickeln.  In einer aktuellen Arbeit haben wir uns detailliert mit der Patientensicherheit des POEM-Verfahrens beschäftigt. In mehr als 240 durchgeführten Eingriffen haben wir aufgetretene Komplikationen analysiert und bewertet.  Die Komplikationsrate liegt in unserem Zentrum bei 1%. 

In Deutschland sind wir das Zentrum mit der größten POEM- Erfahrung. Für unsere Forschung zu POEM sind wir mehrfach mit wissenschaftlichen Fachpreisen ausgezeichnet worden. Unsere Patienten profitieren aber auch besonders von unser Erfahrung in der Erkennung und Diagnostik der Achalasie und ihrer verwandten Speiseröhrenfunktionsstörungen sowie von unserer Nachsorge.  

 

Wie geht es weiter?

Das Ziel der Therapie ist eine Verbesserung der Lebensqualität. Durch die Behandlung werden vor allem die Schluckbeschwerden erheblich gebessert. Trotzdem sollte auf das Einnehmen der Mahlzeit (Nachtrinken, gutes Durchkauen, Ruhe beim Essen) geachtet werden,  weil sich die zum Magen gerichtete Muskelbewegung der Speiseröhre nicht wiederherstellt.

Als langfristige Nebenwirkung aller verfügbaren Behandlungen kann eine Refluxkrankheit (chronisches Sodbrennen) entstehen, die medikamentös oder ganz selten operativ behandelbar ist.

Die Achalasie ist eine dauerhafte Erkrankung, so dass in Abständen Beschwerdebild und Untersuchungen bei einem Spezialisten lebenslang erfasst bzw. erfolgen sollten.  Patienten, bei denen ein langjähriger Krankheitsverlauf besteht (Beschwerden/Diagnose älter als > 20 Jahre) sollten an einem Überwachungsprogramm zur Krebserkennung teilnehmen. Es ist für die Patienten sinnvoll,  an einem erfahrenen Zentrum angeschlossen zu sein.

 

Achalasie am Speiseröhrenzentrum des UKE

Am UKE werden Patienten mit Achalasie seit Jahrzehnten betreut. Die gesamte Bandbreite der Diagnostik und Behandlungsmöglichkeiten, langjährige Erfahrung und Expertise stehen zur Verfügung. Die Vorteile dieser umfassenden Betreuungsmöglichkeit liegen auf der Hand. Obwohl die Achalasie eine seltene Erkrankung ist, werden derzeit wöchentlich ein bis zwei Patienten mit Achalasie betreut und behandelt. Das Speiseröhrenzentrum am UKE ist eines der erfahrensten Spitzenzentren in Deutschland für Patienten mit Achalasie. Außerdem ist es eines der wenigen Spitzenzentren weltweit, welches die Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten der Achalasie als einen Schwerpunkt erforscht. Wir arbeiten auch mit anderen europäischen Achalasie-Zentren eng zusammen und tauschen uns regelmäßig aus.